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Kronkorken für den Nachlaß


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Malorny-Leseproben:

KRONKORKEN FÜR DEN NACHLASS
Gedichte

1994 - 100 Seiten - Taschenbuch
ISBN 3-930148-01-3 / EUR 11
im ARIEL-VERLAG, Essen



Fünfundreißig

Trotz härtester Selbstkritik
muß ich zugeben, daß ich noch nicht
so aussehe wie ein alter,
abgeboxter Handschuh.
Und jedes Lächeln von einem
jungen Girl
wirft mich höher,
gibt mir neue Kraft, um
die Flaschen zu tragen, die
ich aussaufe,
oben unterm Dach.
Und anschließend onaniere
ich wie wild und wichse
mir die verblichene Jugend
auf ein Lächeln ab.

Eine wahre Geschichte

Ich werde nie etwas Bleibendes, etwas Zeitloses
schreiben, etwas woran sich die
Leute erinnern, so nach 10 Jahren in
elfter Auflage,
was  man später vorlegt und voller Stolz auf
markierte Stellen mit eigenen Randbemerkungen
tippt.
Statt dessen schreibe ich über kongeniale
Pennbrüder, die mich hier oben hin und
wieder besuchen.
Wie der eine, der urplötzlich eines Nachts
bei mir vor der Tür stand, einen Kasten
Bier auf der Schulter, mit der er sich seine
Bleibe für die Nacht zu sichern hoffte.
Es war wohl die längste Nacht unter Säufern,
in der wir schweigend beisammen saßen
und tranken.
Wir nahmen die Flaschen direkt aus dem
Kasten und stellten die leeren sofort wieder
zurück.
Aus den Kronkorken bastelten wir eine Kette.
Ich durchstieß das Metall mit einer Schere,
bog die Rundung mit der Spitzzange gerade, und
mein Kumpel reihte Korken für Korken auf eine
Schnur.
Es war eine langwierige Arbeit.
Als der Kasten leer war, knotete ich die Enden
der Schnur zusammen, hängte mir die Kette um
den Hals und legte mich ins Bett.
Der einzige epochale Wert dieser Story
liegt in der Wahrheit.
Wir können uns beide daran erinnern, und
wenn wir wollen, es unseren Kindern erzählen.
Ob wir welche haben, oder ob es sie überhaupt
interessiert,
ist wieder eine andere Story.

Glücksache

Manchmal
wenn ich die Treppen emporstolpere und
mir der Tragegriff
eines dieser Sechserpackungen
reißt und die Flaschen
die Stufen hinunterpurzeln,
höre ich sie hinter ihren Türen
fluchen.
Vielleicht ist es ein Geräusch das
sie nicht ausstehen können, das
Klirren und Klimpern von
zerbrechendem Glas.
Vielleicht gönnen sie es mir
nicht, das bißchen Glück
weil ich noch ein paar Flaschen retten
kann, oder das die Scherben
eventuell bringen.

Das hat man nun davon

Irgendwo auf der Welt
z.B. in Europa
in Deutschland
Dortmund - Münsterplatz
Haus Nummer acht
oben in der vierten Etage
sitzt einer
allein raucht
trinkt Bier
begreift nicht sein Schicksal
warum er gerade jetzt
dort sitzt und macht
sich dabei
Gedanken über
Größe, Gestalt und
Alter
des Universums.

Huren, Drogen und Sex

Sie blickt mit Morphiumaugen auf abgerissene
Tapeten. Der kleine Tisch, auf dem sie das
Besteck ablegt, wird achtlos zur Seite geschoben.
Zwei fette Hände greifen um ihre Hüften,
öffnen den Leder-Minirock, zerren den Slip
von vorgestern die Schenkel hinunter und
streifen ihn über die Knöchel.
Fast apathisch, ohne Regung, macht sie die
Beine breit und streckt sich auf dem Sofa aus.
Es passiert schließlich für einen Druck, und
wenn sich gleich eine weitere Ladung Sperma
auf ihrem Bauch und eventuell auf dem Teppich
ausbreitet, nimmt sie den Slip (den von vorgestern),
wischt sich ab und zieht den Tisch wieder
nach vorn.
Wurstige Finger packen den Schwanz in die Unterhose
von heute, und ich frage mich, wozu es
gut sein soll?
Ich schätze, sie hatten beide einen Schuß nötig.

Noch so ein paar Frauen

Wie die eine, die ständig an mir
etwas auszusetzen hatte.
Rauch nicht so viel, trink nicht so viel
und schreib nicht dauernd solch ein
perverses Zeug.
Honey, so IST das Leben. Bring mir
gefälligst noch ein Bier.

Sie starrte mich entgeistert an und
meinte:
Komm lieber ins Bett, sonst schaffst du
DAS auch nicht mehr.

Sie war verrückt nach Sex.
Ich ging zum Kühlschrank und nahm eine
Flasche heraus.
Das tat ich an diesem Abend noch mehrmals.
Nach dem zehnten Bier hatte sich mein
Problem, was ich im Bett machen sollte,
von selbst erledigt.

If

Wenn die Affen auf
den Bäumen
morgens das Bumsen
versäumen
könnte es passieren
daß sie Mittags
onanieren.

 

Rezensionen:

U-Bahn-Fahrten und Untergrund-Literatur

"Man kommt ja immer wieder ans Tageslicht", sagt Hartmuth Malorny. So schwarz kann seine Sicht der Dinge nicht sein. Obwohl er nicht nur als U-Bahn-Fahrer, sondern auch als Poet im Untergrund verkehrt.
In Berlin hält sie im September ihr zweites Festival ab, in Bochum und Frankfurt trifft sie sich in Kneipen zu Spontanlesungen: Die literarische Szene, die sich selbst so schwer abgrenzen kann, daß sie sich viele Namen gibt. "Social-Beat-Literatur", "Underground", mal kursiert auch der Begriff "Heavy Metal Literatur". Hartmuth Malorny, der Straßenbahn- und U-Bahn-Fahrer aus Dortmund, ist nicht irgendwer in dieser Szene. Er hat es zum ersten Buch gebracht.
Das Konterfei von Charles Bukowski sinniert über Malornys Schreibtisch. Bukowskis Leben auf der Überholspur ist beendet. Malorny legt, literarisch, gerade richtig los. Mit 15 hat der gebürtige Wuppertaler seine ersten Gedichte geschrieben. "Das Übliche, was man von jungen Leuten so erwartet." Knapp 20 Jahre später, nach Jobs als Teppichverkäufer, Gleisbauarbeiter und Vertreter, ist sein literarisches Credo ein gar gegenteiliges. Jetzt schreibe er, was etablierte Verlage nie drucken wollen, schreibt, "was man wirklich denkt" - Gedichte über des Lebens volle Härte. Über Alkohol, tierische Gefühle, die Einsamkeit und die dummen Gedanken, die einem an Tagen kommen, an denen mal wieder nichts passiert. Kostprobe: "Von mir aus könnte es ein Erdbeben der Stärke 10 auf der nach oben offenen Richter-Skala geben, und ich würde mich im Epizentrum postieren und händeschüttelnd jedem einen schönen Tag wünschen."
In der Underground-Szene wird`s goutiert - das harte Buch im weichen Einband aus dem Essener Szeneverlag "Ariel". Malornys Gedichtband "Kronkorken für den Nachlaß" geht gerade in die zweite Auflage.
Zukunftswünsche eines Undergroundpoeten mit Hang zum Fatalismus? Die gibt es auch. Persönlich sucht er das, was er als U-Bahn-Fahrer mehrfach am Tage erreicht: Ein Ziel. Um nicht immer unterwegs sein zu müssen.

Jürgen Potthoff, Dortmunder Rundschau, Nr. 157, Juli 1994



www.h-malorny.de