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Noch ein Bier, Harry?


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Malorny-Leseproben:

NOCH EIN BIER, HARRY?
Eine Trinkerchronik

11/2004 - 240 Seiten, Hardcover
ISBN 3-937821-02-3 / EUR 21,90
im Verlag Thomas Tonn, Dortmund



Klappentext des Romans "Noch ein Bier, Harry?"

Harald Malowsky trinkt sich durch das Ruhrgebiet der 70er- und 80er-Jahre, trinkt sich
durch zahllose Jobs, an zahllosen Frauen vorbei, betrachtet das Leben und die Welt durch
den Boden eines Glases und findet nur zwei Dinge von Dauer: den Alkohol und Johnny Cash.

Autobiografisch gefärbter Roman des "U-Bahn-Bukowski" (ZDF) und ehemaligen Straßenbahnfahrers aus Dortmund.

Leseprobe: Noch ein Bier, Harry?

Eine Trinkerchronik

Alles was ich tat, war auf die Gegenwart ausgerichtet. Nichts hatte Bestand. Jeder Zukunftsgedanke war wie eine Fata Morgana. Ich dachte nicht an Bausparverträge und Lebensversicherungen, nicht an Heirat und Familie. Ich fuhr meine Personal-Freifahrten der Bundesbahn von Nord nach Süd, von Ost nach West ab, alles war im Fluss. Obwohl ich dauernd neue Leute kennen lernte, mit ihnen trank und redete, blieb ich eher der Außenseiter, der immer wieder ohne sein Zutun in Sachen hineingeriet. Es gab die Sprache der Sprachlosen, die über Alkoholmoleküle definiert wurde, der Suff verwischte Linien, man wurde zum Grenzgänger. Manchmal wusste ich erst nach längeren Überlegungen wo ich gewesen war. Vom Leben ist immer nur ein Stückchen zu sehen - immer nur der Schauplatz des eigenen Leidens, und die Clowns ringsum sind besoffen. Mein Spitzenwärter-Job füllte mich nicht aus. Ich füllte die freien Stunden mit Bier und Büchern. Und ich schrieb. Besonders in den Nachtschichten schleppte ich die kleine Reiseschreibmaschine mit. Zuerst setzte ich mich hin, trank und tippte das Alphabet auf einen Bogen Papier, nahm eine Büroklammer, bog sie auseinander und reinigte anschließend die Typen A und O. Danach ging es wie von selbst. Ab und an besuchte mich ein Arbeitskollege und wenn er fragte, was ich denn schreibe, antwortete ich, Heimarbeit, Adressen abtippen. Ich tippte meine Träume aufs Papier, doch bevor der Morgen anbrach warf ich die meisten Blätter in den Ofen.

Dann kam die Johnny-Cash-Europatournee 1981. Ein Konzert fand in der Wembley Arena/London statt. Mein Bruder und ich hatten zwei GUTE Eintrittskarten für 19.50 Pfund, einen Opel Ascona als Leihwagen - weil der Mercedes mal wieder fahruntüchtig war - und kurvten mit genügend Bier Richtung Ostende. Bis Dover überbrückten wir die Zeit und tranken und pennten schließlich ein, und als die Fähre vormittags anlegte, fuhren wir wie von selbst London entgegen. Mein Bruder war noch immer Student, und ich war ein Spitzenwärter bei der Bundesbahn, wir mussten unsere Finanzen einigermaßen im Griff halten und hatten vorsorglich gleich die Tickets für die Nachtfähre gekauft. Als sich Johnny Cash gegen 22 Uhr mit einem lächelnden Bye bye vom Publikum verabschiedete, setzten wir uns ins Auto und preschten wieder nach Dover. Die letzte Fähre ging um 1 Uhr. Auf halber Strecke trat ich voll die Bremse und sagte: "Wolle, ich bin zu besoffen."
Wolle war zwar auch besoffen, doch wir wechselten die Plätze und dann preschte er weiter. Wir erreichten die Fähre. Wir gingen nach oben, flappten uns hin und schliefen. Um 6 Uhr morgens öffnete das Restaurant.
"Solln wir frühstücken?", fragte ich.
"Ich hol zwei Bier", sagte er.
Er kam mit zwei Bechern Bier zurück und sein Gesichtsausdruck war ziemlich ernst.
"Ich glaube", sagte er, "das Geld reicht nicht."
"Was für'n Geld?"
"HERJEMINE, ich meine das GELD. Oder hast DU noch was?"
Er wusste genau, dass ich kein Geld mehr hatte. Und ich wusste es auch.
"Wieso, wofür brauchen wir noch Geld? Den Rest der Fahrt werden wir auch ohne Bier auskommen."
"Ach so", sagte er, "kommen wir auch ohne Sprit aus?"
"Sag ich doch, wir kommen ohne Sprit aus."
Er schüttelte seinen Kopf. Sah mich mitleidig an. Ich nahm einen Schluck aus dem Becher und begriff.
"Ach du Scheiße."
"Der Tank ist kurz vor der Reserve", sagte er Bier schluckend.
"Nix zu machen?"
"Nix zu machen."
"Aha."
Wir kontrollierten unsere Barschaft. An englischem Geld hatten wir knapp ein Pfund, an deutschem Geld 4 Mark.
"Das englische Geld können wir auch hier ausgeben. Hol' noch zwei Bier", sagte ich.
Er holte zwei Becher und dann legten wir uns zurück und dösten. Ostende. Früher Vormittag. Ich saß hinterm Steuer und beobachtete die Tanknadel. Roter Bereich. Statt auf die Autobahn fuhr ich zur Stadt. Wo hätten wir sonst hinfahren sollen?
"Sprit klauen", sagte mein Bruder.
"Und wie?"
"Ganz einfach. Wir fahren auf 'ne Tankstelle, du lässt den Motor laufen, ich tanke, steige ein und dann ab dafür."
"Hm", machte ich. Mehr fiel mir nicht ein.
"Und wenn die sich das Kennzeichen aufschreiben?"
"Dann müssen wir dafür sorgen, dass die sich ein falsches Kennzeichen aufschreiben. Fahr mal ein bisschen raus, ein Verbandskasten wird ja wohl drin sein."
Ich fuhr ein bisschen raus. Im Verbandskasten fanden wir weißes Pflaster. Wir fanden sogar eine Rolle schwarzes Isolierband. Zuerst diskutierten wir eine halbe Stunde über die Buchstaben- und Zahlenkombination, die das Kennzeichen aufwies. Unser Nummernschild lautete: E-H-303. Aus dem E machten wir mit schwarzem Isolierband ein B. Jetzt kamen wir schon aus Berlin. Aus dem H wurde mit Hilfe des weißen Pflasters ein I, und aus 303 klebten wir 883.
"Immer noch deutsch", sagte ich.
"Scheiß drauf, Hunderte von Deutschen überqueren täglich die Grenze."
"Na ja, jetzt brauchen wir noch die richtige Tankstelle."
"Die suchen wir uns."
Aber keine Tankstelle war nach unserem Geschmack - an der einen war zu viel Betrieb, an der anderen zu wenig, hier boten sich keine vernünftigen Fluchtmöglichkeiten, dort hatten wir ein schlechtes Gefühl. Aber die Tankanzeige des Opel Ascona log nicht. Sie kletterte bis in den rötesten aller roten Bereiche. Jeder Block, den wir umkurvten, kam dem totalen Stillstand näher. Zuerst hatten wir die Möglichkeit überlegt, einfach irgendwo im Auto zu übernachten, quasi den Rest des Tages, der gerade erst angebrochen war, um morgen bei einer Bank Bargeld abzuheben, aber das würde uns nur von einer Bredouille in die nächste befördern, zumindest mich, der ich am Montag wieder meinen Spitzenwärterjob anzutreten hatte. Außerdem wollten wir keine 20 Stunden nüchtern verbringen.
"Die ist gut", meinte Wolfgang.
Schräg gegenüber lag eine Shell-Tankstelle. Von dort kam man direkt auf die zweispurige Schnellstraße.
"Eine andere werden wir auch nicht mehr finden", sagte ich und sah, dass die Tanknadel starr links anlag. Ich drehte und fuhr zu den Zapfsäulen.
"Lass den Motor laufen", zischte Wolle, "und mach' den Türknopf runter."
Ich drückte den Türknopf runter und ließ das Automatikgetriebe auf Drive. Wolfgang stieg aus und tankte. Er machte den Tank randvoll. Dann hakte er den Rüssel ein, sprang ins Auto und sagte: "LOS!"
Ich drückte das Gaspedal bis zum Kickdown. Die Reifen quietschten. Wir zischten vom Hof. Ich scherte auf die linke Spur und erwischte im letzten Moment die vor uns liegende Ampel bei Gelb. Dann drosselte ich den Motor bis auf 50 km/h und benahm mich wie ein biederer Sonntagsfahrer. Ich fuhr links ab Richtung Flughafen und hoffte auf eine Autobahnbeschilderung. Etwa zwei Kilometer weiter stand ich an einer roten Ampel.
"Wo geht's denn hier zur Autobahn?", fragte ich.
Er grinste: "Keine Ahnung, hat doch gut geklappt?"
Während die Ampel weiter Rot zeigte, sah ich plötzlich einen Typ neben mir, der versuchte, die Fahrertür aufzureißen.
"HEILIGE SCHEISSE, WAS IST DENN DAS?", schrie ich.
Ich stand als erster an der Ampel. Ich gab Gas und fuhr los. Im Rückspiegel beobachtete ich, wie der Typ zu seinem Wagen lief, einem Ford Granada, und uns folgte. Die verschiedenen Wegweiser deuteten darauf hin, dass ich mich fast auf dem Flughafengelände von Ostende befand. Da musste ich raus. Ich brauchte freie Strecke, Zubringer, Schnellstraßen, Autobahnen. Ich überholte mittig und schlängelte mich durch, hier stand mehr auf dem Spiel als ein paar Liter Benzin. Mein Bruder guckte sich um und hielt mich auf dem Laufenden. Ampeln hatten lediglich empfehlenden Charakter. Ich trat das Gaspedal bis zum Bodenblech. Tiefer ging's nicht. Der Granada blieb uns auf den Fersen. Offensichtlich saß dort ein energischer Typ hinterm Steuer.
"Entweder du schüttelst ihn ab, oder wir kriegen Probleme", sagte Wolle.
Ich nahm jede Kurve mit quietschenden Reifen. Es war wenig los. Halb Ostende schlief noch. Endlich erreichten wir eine Schnellstraße. Einspurig. Scheiße. Aber breit ausgebaut. Ich setzte mich in die Mitte, blendete die Scheinwerfer auf und überholte.
"Der traut sich nicht", sagte Wolle.
Ich registrierte, dass der Granada von Mal zu Mal aus meinem Blickwinkel verschwand. Dann kam eine Autobahnauffahrt und ich gab noch mal richtig Gas. Nachdem wir einigermaßen sicher waren, unseren Verfolger abgehängt zu haben, stoppten wir an einem Rastplatz und verwandelten unser "Berliner" Kennzeichen wieder in eins aus Essen. Kurz vor der Grenze hatten wir abermals Schiss, wir dachten, die hätten eine Suchmeldung raus gegeben, aber dem war nicht so, und am nächsten Rastplatz kauften wir uns vom letzten Geld zwei Dosen Beck's-Bier, dazu schien die Sonne. Sie lachte auf uns runter.

Rezensionen:

WESTZEIT, 01. Februar 2005
von Roland Adelmann

Bukowski lebt - und zwar in Dortmund.
Malornys Alter Ego Harald Malowsky schmuggelt sich durch die Arbeitswelt wie es sein großes Vorbild kaum besser konnte. Getrieben von seiner Mutter beginnt Malowsky die Tour de Maloche in Krefeld, um anschließend das umliegende Rheinland und schließlich den Ruhrpott unsicher zu machen. Als geborener Nihilist kann er wenig mit der kleinbürgerlichen Philosophie anfangen. Bevor er aus dem Fenster springt, kündigt er lieber vorher, setzt sich an den nächsten Tresen und lässt das Bier für sich sprechen. Seine Welt bevölkern die üblichen Verdächtigen: Säufer, Nutten, Kleinkriminelle, Obdachlose. Die Sperrfristen des Arbeitsamtes überbrückt er mit Trips in die USA oder lässt sich an der Cote d`Azur von einem Professor aushalten. Wenn es ganz eng wird, sorgt er für Ordnung im örtlichen Puff. Malowsky ist ein Überlebenskünstler, der seine Ziele gerade so hoch hängt, dass er sie auch schwer besoffen erreichen kann. Ätzend und lakonisch bekämpft Malorny eine Welt, die ihm nicht viel mehr zu bieten hat als Alkohol, Johnny Cash und ein gelegentlicher Fick. Schonungslos prügelt er auf sich und seinen Gegner, das Leben nämlich ein und bleibt hoffnungslos ehrlich.
01. Februar 2005 ||| WESTZEIT ||| Text: Roland Adelmann


Visions Verlags GmbH
Kumpel Malorny, lass jucken !

Heute möchte ich mal auf eine echte Entdeckung am Literaturhimmel hinweisen. Es geht um Hartmuth Malorny, der mit "Noch ein Bier, Harry?" einen ganz tollen Roman vorgelegt hat, welcher im Dortmunder Verlag Thomas Tonn erschienen ist. Der Protagonist Harry dümpelt mit einer extrem-lässigen Haltung durch das Ruhrgebiet der 70er und 80er Jahre, wie man es sonst nur aus den frühen Adolf Winkelmann Filmen oder von den lakonischen Charakterköpfen eines Akis Kaurismäki kennt. In seinen milieuhaften Skizzierungen und Aufzeichungen seines Lebens, trampt Malorny zwischen den Extremen. Mal ist er Gelegenheitsarbeiter, mal landet er betrunken in zwielichtigen Etablissements der Halbwelt oder schildert tragische Momente, wie er mit seinem Bruder Konzerte vom Countrybarden Johnny Cash bereist. Stets pendelt der Ich-Erzähler böse bis zärtlich, obszön und witzig von einem Abenteuer zum nächsten - allerdings nie so plump oder vulgär, dass man ihn zum neuen Ruhrgebiets-Bukowski stilisieren müsste. Mit großer Empfindsamkeit schreibt er über handgemachte Erfahrungen mit dem Ruhrpott, zwischen Originalschauplätzen wie zum Beispiel den Mutter Köhm Stuben oder anderen Gaststätten, die es schon lange nicht mehr gibt. Gerade sein bestechender Humor und seine Handhabe, jedes Problem mit drei Flaschen Bier lösen zu können, ist mehr als ansprechend und episch sehr gelungen. Hier mal ein Auszug: "...Das Leben ist ein Kreislauf. Schöne Frauen kriegen schöne Männer. Mein schönes Leben endete kurz vor dem Winter. Das war der Tag, an dem ich einem Zivilpolizisten 40 Grundig-Videorekorder abkaufen wollte. Allerdings war der Typ ziemlich besoffen, und als der Streifenwagen mit seinen Kollegen eintraf, hatte ich plötzlich ein halbes Dutzend "Zeugen", die meine Rechtschaffenheit bestätigten. Danach blieb ich wochenlang im Blickfeld der Kripo. Jetzt war es wirklich Zeit für einen neuen Job..."

ekz-Informationsdienst:

"The sp(i)rit of BUK (Charles Bukowski), Sound of (Johnny) Cash, Kamikaze-Kurven (von Frauen?) und Mekong-Whisky sind genehm" -so der "Steckbrief" des 1959 geborenen, nach 3 Gedichtbänden und dem Roman "Die schwarze Ledertasche" als "Ruhrgebiets-Bukowski" oder "neuer Wallraff" gefeierten Autors. Vorliegende "Trinkerchronik" ist der autobiografisch getönte 2. Roman von Hartmuth Malorny. Sein Held, Harald Malowsky , bewegt sich zwischen 3 trigonometrischen Überlebenspunkten: Gelegenheits-Jobs, Frauen und immer wieder Sprit in hohen Dosen. Ort und Zeit der Handlung: Der Ruhrpott in den 70er- und 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Der raubauzige Kraftmensch Malowsky lebt sein Credo voll aus: "Sicherheit, Sozialleistung und Rentenversicherung waren die Dinge, die meinen Verstand überanstrengten." Von einer herkömmlichen Trinkerkarriere mit Ups und Downs, Entzügen und Abstürzen ist nicht die Rede, hier schöpft einer ohne Rücksicht auf Verluste aus dem Vollen. Die literarische Meisterschaft ist ihm dabei sicher: Wenn es auch immer um das Gleiche geht, vermögen die farbigen Milieuschilderungen immer zu fesseln.
Autor: Uwe-Friedrich Obsen,
ekz-Informationsdienst
 

Sandammeer.net
Um sein Leben saufen - Eine Trinkerchronik

Das Problem mit solcherart Büchern könnte ein erzieherisches - um nicht zu sagen: pädagogisches - oder eigentlich gar ein politischkorrektes sein: Der Protagonist und Autor (weil Ich-Erzähler?!) säuft mit hemmungsloser Penetranz. Soll man das als Leser tolerieren bzw. überhaupt quasi dadurch sanktionieren, indem man es ausgiebig liest?! Wir erinnern uns alle noch gerne: bei Kinderbüchern und Jugendromanen haben wir uns leidenschaftlich mit der Hauptfigur identifiziert - aber hier nun?! Dieser laut Waschzettel "autobiografisch gefärbte Roman" des Dortmunder Autors (Jahrgang 1959) vermittelt da einen zwiespältigen Eindruck: "Literarisch-sprachlich ganz ordentlich - existentiell-inhaltlich mit dubioser Botschaft: Harald Malowsky trinkt sich durch das Ruhrgebiet der 70er und 80er Jahre, trinkt sich durch zahllose Jobs, an zahllosen Frauen vorbei, betrachtet das Leben und die Welt durch den Boden eines Glases und findet nur zwei Dinge von Dauer: den Alkohol und Johnny Cash" (Waschzettel).
Dieser Harald, der als Harry firmiert, nimmt sich seine midlife crisis schon sehr viel früher als Hesses Steppenwolf-Harry - und dies ist genau das literarische Niveau-Problem: Malornys Harry hat das Leben noch lange nicht ausgiebig genug ausprobiert - er flüchtet von Anfang an in die Betäubung: als Arbeitnehmer chronisch unterqualifiziert muss er lauter Scheißjobs annehmen, die er immer wieder relativ kurzfristig kündigt, weil seine Frustschwelle weit unterhalb der einer Mimose ist. Eskapismus und Alkoholismus sind eine miese Attitüde - es gibt freilich täglich 1000 Gründe gefrustet zu sein - aber Schnauze voll und Ex ist kein Lebensprogramm. Die Frage ist doch erlaubt: Was hat uns der Autor zu sagen: "Diesen Sommer trank ich Bier, Wein und Whiskey, hauptsächlich aber Bier. Ich trank es draußen und drinnen und kam zur Erkenntnis, dass einen nichts mehr deprimiert als ein leeres Glas."
Dem Rezensenten - der zugegebenermaßen manchem Schluck nicht abgeneigt ist - stellt sich doch die literaturwissenschaftliche Frage: Ist das hier nun ein Schlüsselroman oder ein Entwicklungsroman oder ein Gesellschaftsroman?! Die Moderne ist so niveaulos kompliziert - der Ich-Erzähler resümiert: "Die einzige Kontinuität in meinem Leben war der Alkohol, doch es gab keinen Grund zu jammern." Na also: ohne Grund zu jammern bräuchte man doch auch nicht zu saufen, oder?! Die penetrante Frage bei jeder Rezension: Wem empfehlen wir dieses Buch?! Hier säuft ein netter Kerl um sein Leben - aber mehr passiert auch nicht. Und die hartnäckigen Verweise auf Bukowski werden weder Malorny noch Bukowski für unser Jahrhundert unverzichtbar machen.
Ach schade, lieber Malorny - hier errichtet sich einer ein Denkmal aus Styropor - und weiß das eigentlich auch in selbstreferenzieller Attitüde: "Der begnadete Schriftsteller als Alkoholiker wird zur Kultfigur (...) Von einem Schriftsteller erwartet man geradezu, dass er trinkt (...) Ich bin ein dem Alkohol verfallener Flüchtling - auf der Flucht vor mir selbst." Peng! Genau das sollte ein Autor nicht sein - auch kein Leser - kein Mensch eben! Flucht rechtfertigt sich nur durch existenzielle Bedrohung. Und wer bedroht Malorny? Das Leben? Oder gar der Leser durch Liebesentzug?!

(KS; 09/2005)

Literaturkritik.de
Der warme Zauber rinnt durch unsere Adern
In Hartmuth Malornys zweitem Roman wird wieder ordentlich getrunken

Harald "Harry" Malowsky, zwar Held dieses Romans, sonst jedoch weniger Held als vielmehr Verlierer, Trinker und Gelegenheitsarbeiter, hat mit seinem Idol Johnny Cash nicht viele Gemeinsamkeiten. Eine von ihnen ist die Vorliebe für den Alkohol. Und dieser ist es auch, der Malowsky vorwärts treibt, ihm Ruhe gibt, Sicherheit, Geborgenheit, Trost und Zuflucht, wenn die Zeiten mal wieder allzu hart zu werden drohen.
Zwischen den Trinkgelagen, denen sich Malowsky ausführlich widmet, passiert zwar eine Menge, aber es läuft immer nach dem gleichen Prinzip ab: Hier und da ergattert "Harry" mal einen Job, in dem er jeweils auslotet, wie faul er sein kann, bis ihm gekündigt wird. Dann startet irgendwann die Suche nach einem neuen Gelegenheitsjob. Dabei kommt er viel herum, trifft Frauen, die er nicht halten kann oder die ihn nicht halten wollen, verbrüdert sich mit Arbeitskollegen und lernt auf diese Weise so ziemlich jede Kneipe des Ruhrgebiets kennen. Denn Zeit für ein paar Bierchen ist immer, auf die Schnelle oder auch mal ausgiebig und mit Muße.
Nachdem der Autor Hartmuth Malorny mit seinem ersten Roman "Die schwarze Ledertasche" aus seiner Vergangenheit als Straßenbahnfahrer erzählte, geht er nun mit "Noch ein Bier, Harry?" noch ein Stück weiter zurück, berichtet von seiner Perspektive auf das Ruhrgebiet der 70er und 80er Jahre und seinem Aufwachsen darin. Die Geschichte ist entsprechend autobiografisch gefärbt, wie ja auch der Name und die Biografie des Protagonisten nahe legen. Und es ist eine Geschichte aus einem Deutschland, das es so nicht mehr gibt, das aber hier noch einmal sehr lebendig wird.
Die Hauptfigur "Harry" wird, trotz ihrer Macken, zunehmend zum Sympathieträger, man verfolgt ihre Geschichte gerne und mit Neugier. Leider fehlt dem Roman jedoch ein durchgehender roter Faden, ein Bogen, der sich über die ganze Länge spannt. Stattdessen wirkt "Noch ein Bier, Harry?" wie eine Aneinanderreihung einzelner Anekdoten und Kurzgeschichten, wie man sie aus dem Social-Beat-Umfeld (dem Malorny entstammt) vielfach kennt. So wird etwa auch nicht ersichtlich, warum der Roman dort endet, wo er endet, und warum bestimmte Begebenheiten ausführlich erzählt werden und andere nicht - der gewählte Ausschnitt erscheint etwas willkürlich.
Und so wenig, wie sich die Geschichte fortentwickelt, so wenig verändert sich auch die Perspektive des Protagonisten: Durch all die Jahre, die der Leser Harry Malowsky begleitet, haftet ihm die immergleiche Teilnahmslosigkeit an. Manchmal möchte man Malowsky dazu antreiben, ein wenig Ehrgeiz zu entwickeln, sein Leben in den Griff zu bekommen bzw. mal etwas mehr zu tun als das unbedingt Notwendige.
Doch das zentrale Thema dieses Buches ist nun einmal das Trinken, und dies nicht so sehr von einem Standpunkt aus, der die Sucht kritisiert, als vielmehr von einem, der den Alkohol, gerade in seiner realitätsverzerrenden Wirkung, etwas glorifiziert: "alle Handlungen hatten plötzlich Sinn [...], es war eigentlich kein körperlicher Drang, mein gesamtes soziales Leben spielte sich dort ab, wo es etwas zu trinken gab. Trinken bedeutet Kameradschaft". Gerade in diesen Worten wird die Bedeutung, die der maßlose Alkoholkonsum auf die Figur Malowsky hat, deutlich: eine Flucht, die in einer Welt wie der im Buch beschriebenen schlicht die reizvollere Alternative darstellt.

Literaturkritik Nr. 10
Okt. 2005; Daniel Beskos
                                                                                                                                                                                           

Presseberichte

Ruhrnachrichten/Dortmund:
"Noch ein Bier, Harry"

Aus seinem neuen Roman "Noch ein Bier, Harry"-Eine Trinkerchronik" liest der Autor Hartmuth Malorny (Foto) am Montag (8.11.) in der Stadt- und Landesbibliothek vor. Anfang November erschien das Buch im Dortmunder Verlag Thomas Tonn. Nachfolger des Debüt-Romans "Die schwarze Ledertasche" (2003). Der Protagonist beider Romane heißt Harald Malowsky, die Bücher erzählen, autobiographisch gefärbt, von Malowskys Erfahrungen als Straßenbahnfahrer in Dortmund. Der Romanheld trinkt sich durch das Ruhrgebiet der 70er und 80er Jahre und hangelt sich von einem Job zum andern, an zahllosen Frauen vorbei und betrachtet das Leben durch den Boden eines Glases. Am Ende landet er dort, wo er anfing: Arbeitslos am Tresen. Der Autor selbst ist als Sonderreiniger bei den DSW tätig. Dortmund beschreibt Malorny als eine Arbeiter-, Industrie- und Bierstadt. "Dortmund ist eine Stadt der ewigen Wiederkehrer", so Malorny. "Ich lebe jetzt seit 20 Jahren hier und wollte immer weg. Mit Dortmund verbindet mich eine Hass-Liebe." Kostproben aus beiden Romanen gibt Hartmuth Malorny bei seiner Lesung ab 19.30 Uhr in Studio B der Stadt- und Landesbibliothek, Königswall 18. Die Teilnahme kostet 1,50 Euro. Der Roman ist für 21,90 Euro zu erwerben.
JuLa
Ruhr Nachrichten,
Dortmund,
05. November 2004

Westfälische Rundschau:
"Noch ein Bier, Harry?" ist ein richtig süffiges Buch

Dortmund hat einen neuen Verlag. Er ist noch klein und irgendwie daheim (vom Küchentisch aus gemacht ), aber "Verlag Thomas Tonn" leuchtet bereits mit drei Titeln in die literarische Zukunft. Erschienen beim "Verlag Thomas Tonn" ist gerade die "Chronik" des Dortmunder Autors und Stadtwerke-Mitarbeiters Hartmuth Malorny, "Noch ein Bier, Harry?". Annonciert sind bereits ein Band mit Stories von Michael Steffens, "Ein Zimmer im Hotel Vielleicht", und die Lebensgeschichte eines der ehemals besten Equilibristen der Welt, "Artist!" vom Bochumer Rudolf Lehmann. Verleger ist Thomas Tonn, auf dessen Namen man sonst eher in der engagierten lokalen Literaturschrift "DOpen!" stößt. Auch sein Autor Malorny ist kein Unbekannter in der regionalen Literaturszene. Er veröffentlichte Social-Beat- und andere Gedichte in immerhin drei eigenen Bänden, ehe er 2003 in Leipzig den Roman "Die schwarze Ledertasche" herausbrachte. "Noch ein Bier, Harry?" greift auf denselben Hauptprotagonisten zurück, der schon in der "Ledertasche" unterwegs war, auf Harald Malowsky, was sehr nach Hartmuth Malorny klingt, was weitere Fragen erübrigt. Auch jetzt säuft sich Harry durchs Ruhrrevier, in Kneipen, die es heute noch gibt, und an Frauen vorbei, die es mal gab. Die Chronik ist also eine "Trinkerchronik". Der gebürtige Wuppertaler, der es zuläßt, dass man seinen Namen in einem Atemzug mit Charles Bukowski ausspricht, hat - nicht nur, aber auch - seine Erfahrungen als Straßenbahnfahrer in Diensten der Dortmunder Stadtwerke aufgeschrieben; so liest man. Malorny bestätigt auf Nachfrage seine Stadtwerke-Wirklichkeit; zur Zeit wasche er die Grafitti von den Fahrzeugen. Wie auch immer, der Leser darf sich freuen: Schon nach wenigen Seiten weiß er, dieser Malorny hat nicht nur ein Säufer-, sondern auch ein sehr süffiges Buch geschrieben. Geht runter wie ... Na, wie wohl? Wie Bier für Harry.
(Lesung Montag, 19.30 Uhr, Stadt- und Landesbibliothek)
Rainer Wanzelius
05.11.2004
Westfälische Rundschau

WAZ - Westdeutsche Allgemeine Zeitung: Harry betrinkt sich, aber Dortmund wird nicht schöner. Autor debütiert mit Ruhrgebiets-Romanen.

Harry Malowsky sagt über Dortmund, es sei die Stadt der ewigen Wiederkehr. Hartmuth Malorny sagt über Dortmund: "Ich lebe seit 20 Jahren hier und mag die Stadt immer noch nicht." Malorny hat Malowsky erschaffen: Er ist Autor und schildert in seinen Romanen Harrys Leben in Dortmund und dem Ruhrgebiet.
Gestern stellte Malorny seine Bücher der Presse vor. Dem Publikum präsentiert der Autor seine Erstlinge "Die schwarze Ledertasche" und "Noch ein Bier, Harry?" am Montag, 8. November, um 19.30 Uhr in der Stadt- und Landesbibiothek. Malorny wurde 1959 in Wuppertal geboren. Bisher hat er drei Gedichtbände veröffentlicht, 2003 folgte mit "Die schwarze Ledertasche" sein erster Roman. Darin beschreibt Malorny, wie sich Hauptfigur Harry als Straßenbahnfahrer durchschlägt. Wie auch das jetzt im jungen "Verlag Thomas Tonn" erschienene Buch ist die Geschichte stark autobiographisch gefärbt. Der Autor hat lange als Straßenbahnfahrer gearbeitet, derzeit entfernt er für die Stadtwerke Grafitti.
Seine Romane spielen zwischen dem Ende der 70er Jahre und dem Ende der 90er Jahre. Den Niedergang der Zechen und der Stahlindustrie erlebt Protagonist Harry ebenso mit wie den Bau der unterirdisch geführten Stadtbahn-Linien. Die Kneipenszene liefert oft Schauplätze: Das "Hansafässchen" , "Die Glocke" oder "Mutter Köhm". Hartmuth Malorny bezeichnet seine Prosa als Arbeiterliteratur. Er lehnt sich bewusst an den Stil des Underground-Altmeisters Charles Bukowski an. Mit einfacher Sprache und in lakonischem Tonfall führt er die Leser durch die Ruhrgebiets-Welt seiner Figuren.
"Die schwarze Ledertasche" ist im Verlag Max-Stirner-Archiv erschienen, "Noch ein Bier, Harry" im Verlag Thomas Tonn. Der Eintritt zur Lesung am 8. November kostet 1,50 Euro.
WAZ, Nr. 259,
5.November 2004
tja



www.h-malorny.de